Rückblick

Kurz vor dem plötzlichen Tod von Abt Notker Wolf am Dienstag der Osteroktav, 2. April 2024, hatten eine ganze Reihe von Interessierten die Möglichkeit, an seinem Online-Vortrag für die keb Kreis Schwäbisch Hall teilzunehmen und sich so über „Benedikt von Nursia und die spirituelle Grundlegung des Abendlandes“ inspirieren zu lassen. Notker Wolf zeigte sich tief durchdrungen von der Spiritualität Benedikts von Nursia, die er kenntnisreich und aus persönlicher Erfahrung vermittelte.

Benedikt von Nursia prägte mit seiner Regel für Mönche tief das westeuropäische Abendland. Doch war er laut Abt Notker nie ein „Gesetzesmann“, sondern bietet eine Spiritualität, die so normal ist, dass jeder sie leben kann, auch jenseits der Klostermauern. Insbesondere betonte der emeritierte Abt, wie wichtig es ist, das rechte Maß als Mutter aller Tugenden einzuhalten. Wovon der Bayer denn auch die Mentalität in Bayern mit seinen zahlreichen Benediktinerklöstern geprägt sieht. Neben dem weit bekannten Lebensprinzip: Ora et labora – bete und arbeite, setzte er das: Lies! Seine Lektüreempfehlung: Das Neue Testament. Man solle es langsam lesen, wiederholen und aufsagen. Gegenüber dem Nichtstun, das zu Lustlosigkeit führe, empfahl er den Wert der Arbeit, nicht im Sinne des Malochens, sondern als kreatives Tun.

Mit diesem Vortrag wurde die dreiteilige Online-Reihe der keb Kreis Schwäbisch Hall mit drei Schlaglichtern auf Christliche Spiritualität beendet, in der sich der Blick außerdem auf Edith Stein und Teresa von Avila gerichtet hatte.

Dass Notker Wolf, der im Alter von 37 Jahren bereits zum Erzabt der Abtei St. Ottilien gewählt wurde, später 16 Jahre Abtprimas der Benediktinischen Konföderation war, Autor von über 30 Büchern, Gast in Talkshows und auf Rockmusikbühnen, aber auch als gefragter Redner weite Teile der Welt bereist hat, dass dieser emeritierte Abt acht Tage vor seinem Tod einen seiner letzten Vorträge (oder den letzten überhaupt?) für die keb Kreis Schwäbisch Hall gehalten hat, dafür sind sicher alle dankbar, die dabei waren. 

Michael Gerstner

 

Ist Deutschland eine Republik der Angst? Und falls ja, wie wäre diese Diagnose zu bewerten? Professor Frank Biess hat sich mit Fragen wie diesen ausführlich beschäftigt und hat zu dem Phänomen ein Buch von über 600 Seiten geschrieben. Auch wenn er seit Jahrzehnten in den USA lebt, forscht er doch weiter über seine ursprüngliche Heimat. Der aus Baden-Württemberg stammende Historiker war am 7. März von San Diego aus, wo er Professor für Europäische Geschichte ist, über das Videokonferenz-Tool Zoom mit mehreren Dutzend Personen in Deutschland verbunden und stellte in seinem Vortrag seine These vor und zur Diskussion.

Frank Biess ist der Auffassung, dass sich die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland anders und neu erzählen lässt anhand der „Angstkrisen“, die die deutsche Bevölkerung beschäftigt haben. So hat er eine Reihe von Angstkomplexen ausgemacht, die Deutschland in den zurückliegenden 75 Jahren beschäftigt haben: Vergeltungsangst, moralische Angst, Kriegsangst, moderne Angst, demokratische Angst, revolutionäre Angst, allgegenwärtige und apokalyptische Angst. 

Mit dem Vortrag begann die vierteilige Online-Reihe der keb Katholische Erwachsenenbildung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu: „75 Jahre Bundesrepublik Deutschland – Perspektiven auf ein verunsichertes Land“.

Was sich im Blick auf Deutschland als „verunsichertes Land“ mitnehmen lässt, ist die Erkenntnis, dass Angst nicht nur lähmend ist, sondern auch das Potential hat, sensibilisierend zu wirken für Herausforderungen, die anderenfalls mit weniger Elan angegangen werden würden. Angst spielt somit nicht nur in autoritären Systemen eine Rolle und zwar eine repressive, sondern auch in liberalen Demokratien, wo sie motivierend wirken kann. Wären somit die gerechtfertigt, die das Schüren von Angst als legitimes Mittel in der politischen Einflussnahme ansehen? Nach Frank Biess jedenfalls die nicht, die das Gefühl der Angst gegen Menschengruppen einsetzen. Angst lässt sich kaum bekämpfen, indem sie schlicht als irrational qualifiziert wird. Ängste ernst zu nehmen, heißt nicht, die Gefahr ihrer Transformation in Ressentiment und Hass zu übersehen, die schließlich zu Gewalt führen können.

Michael Gerstner

Kooperationen sind im Bereich der offenen Weiterbildung ein nicht zu unterschätzender Gelingens-Faktor. Konkret gezeigt hat sich dies bei einer kleinen Veranstaltungsreihe in Crailsheim. Anlass und Rahmung der Reihe war die Wanderausstellung zum Zusammenhang von Klimawandel und Flucht, die u.a. von der Hauptabteilung Weltkirche der Diözese Rottenburg-Stuttgart konzipiert wurde und koordiniert wird. Gezeigt werden konnte die Ausstellung im „Forum in den Arkaden“ in Crailsheim, das vom Stadtarchiv Crailsheim betreut wird, einer für die Crailsheimer Identitätsbildung zentralen Einrichtung. So konnte der Eröffnungsvortrag von Dr. Wolf-Gero Reichert, der in das Thema einführte, ohne die Ausstellung inhaltlich vorwegzunehmen, im Ratssaal im Rathaus stattfinden. Fortgesetzt wurde die Reihe mit einem Vortrag zu „Palmöl – ein umstrittenes Alltagsprodukt“, bei dem mit dem Evangelischen Kreisbildungswerk kooperiert wurde. Die Abschlussveranstaltung mit Impulsvorträgen und Podiumsgespräch konnte schließlich im Katholischen Gemeindehaus St. Bonifatius am Volksfestplatz stattfinden. Dabei kamen die Themen mit lokaler Konkretisierung aufs Tableau: Mit Rudolf Bühler, Gründer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die Landwirtschaft, mit Kamilla Schubart, Integrationsbeauftragte der Stadt Crailsheim, die Migration und Integration in Crailsheim, mit Jonas Rönnefarth, Klimaschutzmanager der Stadt Crailsheim, lokale Herausforderungen und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Die unmittelbare Resonanz war mit ca. 220 Personen, die die Ausstellung und die Veranstaltungen besuchten, nicht überwältigend; allerdings wurden die mehrfachen Zeitungsberichte sicher von einer viel größeren Anzahl von Personen wahrgenommen, sodass die mittelbare Resonanz deutlich höher ausfiel. Fazit: Auch wenn keine übergroßen Wanderungsströme zu den Veranstaltungen zu beobachten waren, haben diese durch die mittelbare Resonanz doch sicherlich einen geistigen Klimawandel mit angeregt.

Michael Gerstner

Nach der guten Erfahrung mit der Online-Reihe über Jesus im Frühjahr 2022 konnte diese fortgesetzt werden mit einem interreligiös angelegten Blick auf „Maria: Mutter, Frau und Prophetin“. Der jüdische Theologe, Dr. Yuval Lapide machte den Aufschlag mit seinem Vortrag über „Die Rolle der Mutter Jesu. Gedeutet von einem jüdischen Bibelexperten“. Er machte die lebensweltliche Verortung Marias im zeitgenössischen Judentum deutlich. Wer will, kann den Vortrag hier nacherleben. Mit Dr. Muna Tatari erläuterte die Junior-Professorin für Systematische Theologie in Paderborn die Weise, wie Maria im Koran rezipiert wurde: die einzig namentlich erwähnte Frau und die am dritthäufigsten mit Namen erwähnte Person im Koran, noch vor Muhammad und Jesus. Die christliche Einordnung mit neutestamentlichem Fokus machte Marie-Thérèse Gerstner von der HU Berlin in ihrem Vortrag über „Das Lied der Maria. Neutestamentliche Schlaglichter auf Maria ausgehend vom Magnifikat.“ Erfahrungen der Distanz gehören zur interreligiösen Bildung ebenso dazu wie solche der die Differenz überbrückenden Gemeinsamkeiten. Eine ähnliche Erfahrung ermöglicht das Internet mit seiner Verknüpfung auf einer gemeinsamen Linie („online“) und dem bleibenden Alleinsein vor dem Bildschirm.

Michael Gerstner

„Wer jung ist, will die Welt verändern; wer älter ist, wurde von ihr verändert”. Ob diese Aussage allgemeingültig ist, sei einmal dahingestellt, für Bruder Hans Eigner gilt sie jedenfalls. Der Comboni-Missionar aus Josefstal bei Ellwangen war am 30. März 2022 zu Gast in Bühlertann bei der Katholischen Kirchengemeinde und der Katholischen Erwachsenenbildung, um über seine Erfahrungen aus der Entwicklungsarbeit in Kenia und der Friedensmission im Südsudan zu berichten. Hans Eigner war während seiner Schulzeit beeindruckt von Begegnungen mit Afrika-Missionaren. Zugleich galt jedoch in den 70-er Jahren Mission im Kontext der Kolonialisierung als Kulturzerstörung. 
So war der Bauingenieur in den 80-er Jahren als „Weltverbesserer“ nach Afrika gegangen. Erst in der Entdeckung der Selbstverständlichkeit des Glaubens im Alltag der Menschen, für die Gott eine lebensbestimmende Größe ist, setzte er sich selbst intensiver mit der Gottesfrage auseinander. Der Weltverbesserer, der nach Afrika gegangen war, kam als Missionar zurück. Eine Inspiration für die Kirche in Deutschland sieht er im Gemeindeleben, in dem in vielen kleinen Nachbarschaftskreisen Austausch und gegenseitige Hilfe den Glauben wirksam werden lässt.

Im Südsudan baute er ein Friedenszentrum mit auf, mit dem Ziel, dass Versöhnung wachsen kann: durch Bildung, durch Heilung von Traumata, durch Gespräche zwischen Angehörigen verschiedener Stämme. Der Südsudan ist durch jahrzehntelange Bürgerkriege zerstört und ohne Rechtstaatlichkeit.

Michael Gerstner